Intersektorale Versorgung stärken
Patientenportale vernetzen stationäre und ambulante Partner
Nicht nur in Dänemark und Schweden ist sie längst Realität:
Eine intersektorale Gesundheitsversorgung, die den Patienten und seine Bedürfnisse in den Vordergrund stellt. Auch in Deutschland beginnen die Sektorengrenzen nun endlich zu schmelzen. Maßgeblichen Anteil daran hat die Digitalisierung.
15 Prozent der Krankenhausleistungen sind in der Pandemie verloren gegangen – teilweise auf Nimmerwiedersehen. „Mindestens die Hälfte davon wird voraussichtlich nicht mehr zurückkommen, sondern dauerhaft ambulant erbracht werden“, schätzt Prof. Christian Wallwiener, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens WMC Healthcare. Das entspräche ca. 1,5 Mio. Fällen. „Die Lage ist dramatisch und macht intersektorale Versorgung zu einem Überlebensfaktor für die Kliniken.“
Der Trend zur Ambulantisierung, den man bereits seit einigen Jahren im deutschen Gesundheitswesen spürt, nimmt daher jetzt Schwung auf.
Hybrid-DRGs könnten zukünftig außerdem dafür sorgen, dass das Erbringen ambulanter Leistungen für Krankenhäuser attraktiver wird. „Für die Kliniken bedeutet das Schmelzen der Sektorengrenzen eine gewaltige Umstellung“, erklärt Wallwiener. Prozesse müssten neu gedacht werden; ambulante OP- Strukturen entstehen. „Besonders Zeit ist ein Faktor. Niedergelassene sind es gewohnt, pro Patient nur wenige Minuten investieren zu können. Für Klinikärzte ist das ungewohnt und erfordert z.B. symptombezogener und weniger holistisch zu behandeln.“
Für die Patienten ist das dennoch ein Gewinn.
„Intersektoralität verbessert die Patientensteuerung und die Behandlungsqualität“, sagt Dr. Christian Bayer, Experte für Digitale Transformation bei WMC. Lange sei das daran gescheitert, dass ambulante und stationäre Versorger in getrennten Welten agierten. „Dank neuer digitaler Möglichkeiten sind Einweiser, Kliniken und Nachsorgeeinrichtungen endlich besser vernetzt.“ Patientenportale und Überleitungsplattformen begleiten die Patienten auf ihrer gesamten Reise: von der Erstdiagnose, über einen Klinikaufenthalt bis hin zur Reha oder ambulanten Nachsorge. Zuweiser haben Zugriff auf alle relevanten Informationen über ihren Patienten – vor, während und nach dem Aufenthalt. Umgekehrt kann sich das Krankenhaus bereits im Vorfeld optimal vorbereiten. Sondermedikamente können rechtzeitig besorgt oder z.B. für ein Kind bereits die Begleitperson eingeplant werden. „Das erhöht die Patientensicherheit und die Zufriedenheit bei Patienten und Mitarbeitenden, verkürzt aber auch die Verweildauer und senkt die Kosten“, erklärt Bayer die Vorteile.
Eine Hürde gibt es noch: Unterschiedliche Träger setzen auf verschiedene Patientenportale – was den Zugang vor allem für die Einweiser kompliziert gestaltet. „Eine zentrale Schnittstelle wäre ideal“, sagt Bayer. Dabei seien die Anbieter der Patientenportale – oft digitale Start-ups oder etablierte branchenfremde Unternehmen – weiter als die Hersteller der Krankenhausinformationssysteme (KIS). Man müsse Medienbrüche vermeiden und die Übergabe strukturierter Daten erleichtern. Vieles läge aber im Krankenhaus noch als PDF oder nur in Papierform vor. „Die Möglichkeiten sind faszinierend, bis wir das alles ausschöpfen können, liegt noch ein gutes Stück Arbeit vor allen Partnern“, macht Bayer deutlich. „Die Kliniken und die Kassenärztlichen Vereinigungen müssen dafür sensibilisiert werden, dass man nur gemeinsam ein besseres Ergebnis für den Patienten erzielen kann. Erst, wenn z.B. Kliniken bei der Beschaffung und Entwicklung der Patientenportale die Interessen der Niedergelassenen berücksichtigen, kann der Prozess „nahtlos“ werden.