Erlös­optimie­rung trotz COVID-19

Erlösoptimierung

„Wir müssen Dokumentation und Leistungserbringung wieder zusammenbringen“

Seit 17 Jahren sind sie der Sündenbock, wenn Krankenhäuser rote Zahlen schreiben: die diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG).

Seit ihrer Einführung im Januar 2004 führen viele Krankenhäuser ihre wirtschaftlichen Schwierigkeiten gern auf sie zurück. Von Anfang an standen die DRG unter Generalverdacht. Sie würden Fehlanreize setzen, die Orientierung an wirtschaftlichen Zielen stärken und sich negativ auf die Patientenversorgung und den Arbeitsalltag von medizinischem Personal auswirken. Immer wieder wurde lautstark die Abschaffung des Fallpauschalensystems gefordert und auch jetzt ist dieser Dauerbrenner wieder aktuell: Ende letzten Jahres empfahl der Gesundheitssystemforscher Prof. Michael Simon in einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie, die Fallpauschalen durch andere Finanzierungsansätze zu ersetzen. 

Unterdokumentation statt Unterfinanzierung

In diesen Chor der Klagenden reiht sich Prof. Katrin Rothkopf nicht ein: „Es gibt sicher Dinge, die man am DRG-System hinterfragen und verbessern könnte“, erklärt die Leiterin der Serviceline Erlösmanagement bei der Unternehmensberatung WMC Healthcare GmbH in München. Dass diese aber generell nicht kostendeckend seien, könne man so nicht behaupten. Am Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) in Siegburg gebe man sich viel Mühe, medizinische Leistungserbringung sachgerecht abzubilden. Betrachte man dann aber, wie in den Krankenhäusern das Leistungsgeschehen dokumentiert werde, sei das oft völlig absurd. Diese steile These kann sie natürlich auch belegen: „70 Prozent der in den Maximalversorgern behandelten Patienten über 65 haben, laut der Leistungsdokumentation, keine oder leichte Begleiterkrankungen oder Komplikationen – auch nicht im sehr hohen Lebensalter.“ Trotzdem lägen Patientinnen und Patienten mit einem Schweregrad von 0 und 1 im Schnitt länger als 7 Tage im Krankenhaus. „Wir haben keine Unterfinanzierung, sondern eine Unterdokumentation“, bringt die Expertin für Erlössicherung auf den Punkt. Das sei bekannt und durch Studien belegt, werde aber in der Regel so hingenommen. „Die Auswirkung auf das finanzielle Ergebnis ist beträchtlich.“

Dokumentation ist in Deutschland von der Leistungserbringung getrennt

„Wenn Frau Prof. Rothkopf diese Zahlen präsentiert, kann man regelrecht dabei zuschauen, wie Krankenhausmanagern, Chefärzten und -ärztinnen ein Licht aufgeht“, bestätigt Christian Eckert, einer der Geschäftsführer bei WMC Healthcare. Denn natürlich behandle niemand kerngesunde Menschen. Das Paradoxon läge allein an der Dokumentation und Kodierung, die die so wichtigen Nebendiagnosen oftmals nicht berücksichtige. Gerade in Bezug auf die Verweildauer, sei der Druck, den man auf den Stationen zu spüren glaube, daher oft selbstgemacht. „Insbesondere ältere Patienten haben häufig einige Nebenerkrankungen und brauchen daher länger, um die Klinik wieder verlassen zu können. Wird das richtig kodiert, sind diese Kosten im DRG-System auch gedeckt.“ Das aber ist offenbar gar nicht so einfach. „Durch den Einsatz von Kodierfachkräften haben wir in Deutschland die Dokumentation von der medizinischen Leistungserbringung getrennt“, erklärt Rothkopf, die als Fachärztin für Anästhesie und Intensivtherapie viel klinische Erfahrung sammeln konnte, bevor sie sich auf die strategische und organisatorische Neuausrichtung von Krankenhäusern konzentrierte. 

Komplexe Fälle könnten so nicht abgebildet werden, denn so viele Details könne niemand dokumentieren. 

Fallpauschalwissen sollte Bestandteil der medizinischen Ausbildung sein. Ärzte, Kodier- und Pflegekräfte und je nach Fall z.B. auch Hebammen oder Mitarbeiter des Sozialdienstes müssen wieder miteinander reden. Emails könnten solche Teambesprechungen nicht ersetzen. Im Idealfall treffe man sich zwei Mal pro Woche und ginge gemeinsam die Fälle durch. „Das Geheimnis ist die Regelmäßigkeit. So ist der Zeitaufwand überschaubar.“ Zuvor aber müsse man allen Beteiligten auch das dafür notwendige Fallpauschalenwissen vermitteln. Denn das sei bisher kein Bestandteil der medizinischen oder pflegerischen Ausbildung. „Niedergelassene wissen ganz genau, welche Ziffer sie für welchen Patienten abrechnen können, denn nur so können sie ihre Praxis wirtschaftlich führen. Im Krankenhaus besteht dagegen noch Nachholbedarf.“ 

Ihr Ansatz sei simpel und ermögliche mit sehr überschaubarem Aufwand eine relevante Erlösverbesserung. So habe man z.B. in einer Klinik in nur einem Jahr auf diese Weise den Case Mix Index um 15 Prozent steigern können. Starte man ein Sanierungsprojekt in einem Krankenhaus, werde häufig gewünscht, sich zunächst die Kodierung vorzunehmen. „Wer die Erlöse steigert, muss weniger einsparen“, sagt Prof. Rothkopf. „So verbessert man das Ergebnis und tut niemandem weh.“